Entwicklungsgeschichte

Die erste Idee zum Bau einer Modellbahnanlage nach dem Vorbild des Kicking Horse Passes hatte Professor Werner Kluge, damals Inhaber des Lehrstuhles für Rechnerorganisation, im Jahr 1995. Zwei Jahre später, nach gut einem Jahr Bauzeit, war die Modellbahn einsatzbereit. Der Streckenverlauf berücksichtigt viele Eigenheiten des Vorbildes, die spiralförmigen Tunnel sind in der Mitte der Anlage deutlich zu erkennen. Die Gesamtlänge der Gleise betrug 140 Meter.


Erste Generation der Bahn von 1997 (Foto der Arbeitsgruppe)

Die Elektronik zur Steuerung wurde von Jürgen Noss entwickelt. Dabei handelte es sich um ein zentral gelegenes System aus drei großen Platinen, die sternförmig mit allen Sensoren und Aktoren der Bahn verbunden war. Eine Workstation von Sun war über ihren Parallelport mit der Elektronik verbunden und erlaubte so die Steuerung durch ein Programm. Ironischerweise zeigten sich an dem Modell ähnliche Probleme wie bei dem großen Vorbild in Kanada. Auf den steilen und engen Kurven des Passes kam es gelegentlich zu Unfällen, wenn ein Zug die Steigung nicht bewältigen konnte oder entgleist und in die Tiefe gestürzt ist. Dazu kamen Probleme mit der Elektronik, die sich als empfindlich für Störungen herausstellte. Als der Lehrstuhl aus der Innenstadt auf den Hauptcampus umzog, lag die Anlage anschließend einige Zeit brach.

Zweite Generation

Die Studenten Jochen Koberstein und Oliver Schmitz machten sich 1999 an den Wiederaufbau der Bahn, was als Freizeitprojekt mit Unterstützung durch den Lehrstuhl begann und in einer gemeinsam verfaßten Diplomarbeit endete. Im Zuge der Arbeiten wurde zuerst das Streckennetz runderneuert, insbesondere wurden die fehleranfälligen Steilpässe durch Brücken mit niedriger Steigung und weniger Kurven ersetzt. Die Anlage ließ sich jetzt problemlos befahren, dafür hat sich die Gesamtstreckenlänge auf rund 127 Meter verringert. In einem zweiten Schritt wurde die gesamte Elektronik ausgetauscht. Ein komplett neuentwickeltes System aus 24 durch einen Interbus verbundenen Platinen ersetzte die monolithische Ansteuerung. Die räumliche Trennung der Komponenten und die vereinfachte Verkabelung konnten die elektrischen Störungen deutlich reduzieren. Angesteuert wurde das System über einen Master, der Pakete zwischen der seriellen Schnittstelle der Sun und dem Interbus vermittelte.


Zwei Interbus-Steuerplatinen mit Verkabelung

Der Umbau war im Jahr 2001 nach zweieinhalb Jahren schließlich beendet und eine neue Library zur Programmierung der Anlage in C++ geschrieben. Das von Jochen Koberstein und Oliver Schmitz entwickelte Railway Control Center erlaubte es dem Benutzer, einen einfachen Fahrplan je Zug einzugeben, der dann auf der Anlage ausgeführt wurde. Verklemmungen werden dabei verhindert und fehlerhafte Sensordaten durch einfache Heuristiken kompensiert. Das Programm basiert auf Petrinetzen der Anlage, wie sie in der Diplomarbeit von Wolfgang Hielscher und einem Paper von Professor Kluge entwickelt wurden. Alle Details der Steuerung faßt die Diplomarbeit von Jochen Koberstein zusammen und geht dabei auf die Implementierung und die Ansteuerung der Hardware ein.

Neben allen Verbesserungen blieben aber noch Probleme bestehen, beispielsweise funktionierte die Ansteuerung der Wendeschleifen nicht zuverlässig und die Sensoren in der Anlage lieferten gelegentlich noch falsche Werte. Das größte Problem war aber die Verkabelung, die mechanisch empfindlich und nur schwer nachvollziehbar war. Dadurch gestalteten sich Wartungsarbeiten wie die Reparatur eines abgerissenen Kabels sehr schwierig.

Dritte Generation

Der Lehrstuhl Echtzeitsysteme und Eingebettete Systeme übernahm die Modellbahn 2002 und bot im Wintersemester 2003/2004 das vorläufig letzte Praktikum in den alten Räumen an. Anschließend wurde die Anlage zu ihrem neuen Standort am Heinrich-Hecht-Platz transportiert. Für den zukünftigen Einsatz war geplant, den Fokus vom Fahrbetrieb auf die Kommunikation innerhalb der Steuerung zu verlagern. Der für diese Aufgabe bislang genutzte Interbus sollte durch ein System ersetzt werden, das unterschiedliche Feldbusse anbindet eine Steuerung über jeden von ihnen erlaubt. Damit stünde ein Labor zur Verfügung, in dem Entwicklungswerkzeuge aus der Industrie an einem relativ komplexen System ausprobiert werden können. Als sich dann herausstellte, daß die alte Elektronik den Transport nicht unbeschadet überstanden hatte, war die Entscheidung für einen erneuten Austausch der gesamten Hardware gefallen, und im März 2005 begannen die Arbeiten an dieser Diplomarbeit.

Die neue Steuerung basierte auf den Erfahrungen der Vergangenheit, bietet darüber hinaus aber einige Verbesserungen und neue Funktionen. Die gesamte Verkabelung wurde ausgetauscht und ist jetzt robuster, gut dokumentiert und leicht zu warten. Jede Steuerplatine ist mit einem TTP-Knoten sowie mit einem unter Linux laufenden PC104-Rechner mit CAN-Interface und Ethernet-Anschluß verbunden. Darüber hinaus können noch zwei weitere Rechner angeschlossen und so beliebige Bussysteme integriert werden. Die Streckenführung hingegen ist fast unverändert, es ist lediglich ein Bahnübergang im Kicking Horse Pass dazugekommen.


Zwei von 24 Steuermodulen der aktuellen Bahnanlage

Zum Anfang des Wintersemesters 2005/2006 startete nach gerade einmal vier Monaten Bauzeit das nächste Praktikum an der Modellbahn. Für die Steuerung sollte diesmal das TTP-Netzwerk benutzt werden, die Entwicklung der gesamten Software sollte grafisch mit Hilfe von Matlab und Erweiterungen der Firma TTTech geschehen.